Konflikte als die Spitze des Eisbergs gesellschaftlicher Skripte
Mit der Frage, wie sich die gesellschaftliche Ungleichheit als Thema in die (Paar-)Therapie holen lässt, habe ich mich die letzten Tage gemeinsam mit einer Gruppe katholischer Eheberater*innen beschäftigt. Ich war als Referentin zu einer Fortbildung eingeladen, die sich der Liebe im 21. Jahrhundert widmete. Es ging um das, was in der (Paar-)Beratung oft hörbar wird, zum Beispiel so:
„Ich fühle mich allein gelassen.“
„Ich kann nichts richtig machen.“
„Er hat das ganz nie auf dem Schirm“
„Wir sind da so reingerutscht“.
Das ist die Spitze von Eisberg der Elternschaft.
Das, was hörbar, ausrufbar ist.
Wenn man hinabtaucht in die Gewässer, in denen dieser Eisberg ankert, findet man: erlernte Skripte von Mutterschaft und Vaterschaft, von Sozialisation, auf eine bestimmte Art Mann oder Frau sein zu sollen, man findet Vorstellungen davon, was als Arbeit gilt, was nicht.
Gerade in der Therapie passiert es leicht, dass man bei der Spitze verweilt: was kann sie tun, damit der Ärger weniger wird? Was kann er tun, damit er weniger ins Büro muss? Anrufung zur Optimierung. Dabei sind all diese Fragen so maßgeblich davon geprägt, in welchen Strukturen wir aufwachsen und leben. Welche Möglichkeiten mit diesen Positionen verbunden sind – oder nicht. All das liegt unter der Wasseroberfläche und wirkt und wirkt.
Und diese versteckte Ebene des Eisbergs braucht Platz in jeder Therapiestunde!
Mit einer Gruppe langjährig erfahrener Berater*innen darüber ins Gespräch zu kommen, warum das so wichtig ist, und wie sich das ganz konkret umsetzen lassen kann, war mir eine Freude. Und auch, dass ich, so ganz ohne Kirche im Gepäck, dazu eingeladen worden bin. Es braucht viel mehr dieser Form von Arbeit, um die Gesellschaft in die Praxen zu holen!