Systemik, die. Feministische Perspektiven systemischer Therapie und Praxis (2025)
„Wo können wir wirklich neutral sein und bleiben, wenn es um Machtstrukturen geht? Wo fängt unsere Verantwortung als Beraterin an, wenn wir Ungleichheit und Ungerechtigkeit nicht zum Thema machen? Trauen wir uns, ungerechte Verhältnisse anzusprechen? Und wer bestimmt, was gerecht und was ungerecht ist?”*
Viele Feminist*innen kritisieren, dass therapeutische Räume oft unpolitisch sind. Das heißt, viele erleben Therapie als Raum, in dem das eigene Erleben nicht oder zu wenig in gesellschaftliche Ungleichheiten eingebettet wird. Und ich würde sagen: das spiegelt sich auch in der Fachliteratur wider.
Es ist gar nicht so einfach, Bücher zu finden, die sich aus umfassenden feministischen Perspektiven der Therapie zuwenden. Jedenfalls gilt das für Fachliteratur der systemischen Therapie.
Umso mehr habe ich mich jedenfalls gefreut, als mir das dicke Sammelwerk "Systemik, die. Feministische Perspektiven auf systemische Theorie und Praxis" empfohlen wurde, das gerade ganz frisch im Verlag Degruyter Brill erschienen ist.
„Zu benennen, dass als individuell erlebte Konflikte Ausdruck patriarchal geprägter Strukturen sind, entlastet.”*
Es versammelt die Perspektiven unterschiedlicher Therapeut*innen auf u.A. Frauen im therapeutischen Arbeiten, auf Therapie jenseits von Zweigeschlechtlichkeit, auf die Notwendigkeit intersektionaler Rassismuskritik in Ausbildung und Therapie und vieles mehr. Die Herausgeberinnen Tanja Kuhnert und Nikola Siller nehmen die Lesenden mit auf ihre eigene Suche nach und Resie zu den verschiedenen Ansätzen, Therapie gesellschaftskritisch zu gestalten.
„Wer eine Beratung aufsucht, bringt eine Biografie mit, die sich innerhalb patriarchaler Strukturen geformt hat. Beratung ist in diesem Sinne politisch, denn sie kann sich nicht nicht zu herrschenden Strukturen verhalten.“*
Wie viele Fachbücher ist es mit 58 Euro ziemlich teuer, aber es lohnt sich, es euch z.B. in die Bibliothek eurer Wahl zu wünschen oder euer Ausbildungsinstitut auf das Buch aufmerksam zu machen. Insgesamt hätte es gern noch mehr ganz konkrete Methoden anbieten können, aber insgesamt ist es ein inspirierendes Sammelsurium, in das man immer wieder hineinblättern kann.
*Auszüge aus dem beschriebenen Buch (vgl. Hochbahn in Kuhnert/Siller 2025).